Seit fast elf Monaten sind Sie nun Präsident des Österreichischen Segel-Verbands. Wie haben Sie sich in ihrer neuen Funktion eingelebt und wie fällt ihre erste Bilanz aus?
Dieter Schneider: "Ich habe mich sehr gut eingelebt und die erste Bilanz ist eine sehr positive. Es ist ein frischer Wind im Präsidium eingezogen, der sich darin äußert, dass wir einige konkrete Projekte angegangen sind und einige Projekte aktuell im Strategieprozess ausformulieren. Daraus wollen wir im Verband eine Agenda ableiten, die dann auch eine Priorisierung der Ziele und Visionen beinhaltet."
Ein zentraler Punkt auf Ihrer stetig wachsenden Agenda für dieses Jahr ist die sogenannte Governance-Reform. Was darf man sich darunter vorstellen und wie weit ist der Prozess bereits fortgeschritten?
Dieter Schneider: "Die Governance-Reform hat zum Ziel, alle Stakeholder – ausgehend vom Fachverband (OeSV), über die Landesverbände, die Klassenvereinigungen, die Clubs, bis zum einzelnen Mitglied – noch besser untereinander zu vernetzen und zu organisieren. Wir sind hier in den Ausführungen schon sehr weit und im regen Austausch mit vielen Beteiligten. Verabschiedet soll die Reform im Zuge der geplanten Generalversammlung Mitte April werden."
Die Generalversammlung soll zukünftig gemeinsam mit dem Vereinstag veranstaltet und damit zu einem mehrtägigen Event ausgebaut werden. Wie kam es zu dieser Überlegung?
Dieter Schneider:"Der Vereinstag ist ein Tag für unsere Mitglieder, für unsere Vereine. Diese Zusammenkunft bietet die Möglichkeit für Diskussion, Austausch und Kritik in alle Richtungen. Wir wollen dort die Wünsche, Bedürfnisse von all unseren Mitgliedern abholen und versuchen, deren Input und Anliegen in unsere strategische Planung einfließen zu lassen. Dieser Event hat und soll auch weiterhin viel Freiraum geben, so dass sich die einzelnen Mitglieder und Klubs untereinander besser vernetzen, Erfahrungen austauschen und sich dadurch gegenseitig unterstützen. Anknüpfend an die Generalversammlung eröffnen sich für beide Aktivitäten Synergien – vor allem inhaltlich."
Ein weiterer wichtiger Punkt in Ihrem Portfolio ist die Nachwuchsarbeit. Welche ersten Schritte konnte Ihr Team und Sie hier bereits setzen und welche Ideen sollen in Zukunft umgesetzt werden?
Dieter Schneider:"Zuerst möchte ich dem Segelclub Ebensee noch meinen Dank aussprechen: Die Ausrichtung von beiden großen Nachwuchsevents (Watersports-Challenge und Jugendmeisterschaft; Anm.) war vorbildlich. Diese beiden Veranstaltungen sind die wesentliche Basis unserer Nachwuchsarbeit, dort werden erste Talente sichtbar. Unser Ziel ist es, den Unterbau zu vergrößern. Unsere Arbeit war in den letzten Monaten sehr im Hintergrund angesetzt, wir haben Konzepte und Leitfäden entwickelt, die einen Übergang vom ersten 'Anschnuppern' hin zum tatsächlichen Regattasegeln erleichtern und das Ausrichten von Regatten auch wieder interessant für die Klubs machen. Wir geben hier unser Know-how weiter, nehmen die Klubs an die Hand und geben Input in den Bereichen Unterkunft, Betreuung, sportliche Aspekte. Die Vereine sollen sich die Ausrichtung zutrauen, Spaß daran haben – und dabei wollen und werden wir unterstützen."
In Ihrem Nachwuchsansatz erkennt man sehr stark ihre Intention, das Klubservice seitens des Fachverbands auszubauen. Wie weit ist man hier in der Konzeption neuer Ideen, was dürfen sich die Mitglieder in diesem Jahr erwarten?
Dieter Schneider:"Wenn Sie die Mitglieder fragen, was sie glauben, wofür sie den Mitgliedsbeitrag bezahlen, kommt sofort die Antwort: „Für die Zustellung der Yachtrevue!“ Das bekomme ich sehr oft zu hören – aber das ist nicht der Zweck des Mitgliedsbeitragsund bei weitem nicht alles was wir bieten.Unsere Stakeholder dürfen sich von uns einerseits erwarten, dass wir etwas zurückgeben und andererseits unsere Arbeit auf einer anderen Ebene, zum Beispiel im Spitzensport oder auch im internationalen Umfeld, gut machen. In den Bereichen Leistungssport, Öffentlichkeitsarbeit, Ehrenamt, Vermessungs- oder Wettfahrtwesen analysieren wir und entwickeln und verbessern ständig Methoden, wie wir den Klubs und Verbänden die optimale Unterstützung geben können."
Ein weiterer sich im stetigen Prozess befindlicher Punkt ist die Digitalisierung. Das Projekt „OeSV-Digital“ war in seiner Entwicklung und Ausrollung mehrstufig angelegt. Welche Stufe wurde bereits erreicht und was darf man sich noch erwarten?
Dieter Schneider:"Mit der Einführung der digitalen Mitgliedskarte wurde letztes Jahr der erste Schritt gesetzt, nun ist „OeSV-Digital“ um das Klubportal erweitert worden. Dort können Klubs ihre Verwaltung in diversen Bereichen, wie etwa Mitgliederpflege oder Regattaorganisation durchführen und Statistiken einsehen. Zusätzlich dient dieser Kanal auch als Kommunikationsplattform, um gezielt Botschaften verteilen zu können. Einige tausend Mitglieder haben bereits darauf umgestellt – aber es gibt noch viele mehr, die wir mit dieser innovativen Lösung gewinnen wollen. Im Zuge dessen ist auch Nachhaltigkeit ein ganz wichtiger Aspekt, etwa mit dem Wegfall der Plastikkarte. Wir Segler*innen brauchen die Natur, um zu segeln – undwir müssen auf sie achten."
Einhergehend initiierten Sie auch die „Kommunikationsstrategie neu“. Wie weit ist dieser Prozess fortgeschritten?
Dieter Schneider:"Wir haben uns im letzten halben Jahrsehr vielmit diversen Experten zu verschiedensten Themen ausgetauschtund sehr viel evaluiert, weil es wahnsinnig viele Optionen gibt, wie eine facettenreiche Verbandskommunikation ausschauen und funktionieren kann. Wir haben uns dafür entschieden, die Position Head of Communications & Marketing einzuführen und mit Präsidiumskollegin Barbara Stelzl-Prommegger zu besetzen. Sie soll der zentrale Knotenpunkt in Kommunikation und Veranstaltungswesen sein. Zudem wird auch das Candidate Sailing-Mediateam noch intensiver an den Verband heranrücken. Konkret wird, parallel zur Yachtrevue, auch eine digitale Kommunikationsplattform entstehen. Wir arbeiten weiters an einer neuen Homepage, die dann schrittweise weiterentwickelt wird. In späteren Ausbaustufen sind etwa Mitsegelbörsen oder ein Merchandisingshop möglich."
„Mit Dieter Schneider kann ich sicher sein, dass weiterhin der olympische Spitzensport ganz oben auf der Agenda steht, das war mir wichtig.“ Diese Aussage hat der damals scheidende Präsident Herbert Houf getätigt. Wie wichtig ist ihnen der Spitzensport?
Dieter Schneider:"Der Spitzensport steht selbstverständlich ganz oben auf meiner Agenda. Er ist von der Wahrnehmung und von der öffentlichen Hand her sehr im Fokus und daher auch Zentrum unserer Ziele. Die Verbandsförderung ist zu einem großen Teil von der sportlichen Leistung abhängig. Somit müssen und wollen wir in der obersten Kategorie, auf olympischem Niveau, erfolgreich sein – und das wird im Verbandweiterhin forciert."
Gab es seit Ihrer Amtsübernahme Änderungen im Bereich Spitzensport?
Dieter Schneider:"Wir sind personell so stark aufgestellt wie noch nie zuvor – und wir hatten auch noch nie so viel Budget wie aktuell. Sportdirektor Matthias Schmid und sein Team arbeiten sehr gut. Die Leitungsstruktur ist etwa um verdiente Persönlichkeiten wie Roman Hagara ausgebaut worden und auch das Team der Trainer*innen und Betreuenden ist angewachsen. Mittlerweile ist das Segeln auf diesem Niveau zu einer immens komplexen Sportart geworden: Zusätzlich zu den Faktoren Training und Material werden Ernährung, mentale Aspekte, Taktik oder Strategie immer wichtiger."
Die olympischen Klassen wurden für die laufende Kampagne etwa um die Sparten KiteFoil und iQFOiL erweitert. Wie nimmt der Verband diese Entwicklung wahr und wie steht es um diese beiden Sportarten in Österreich?
Dieter Schneider:"Vor allem hier gilt es, den Unterbau zu schaffen und dann schrittweise auszubauen. Da gibt es traditionell noch keine breite Basis in unseren Vereinen. Hier müssen wir von Grund auf neue Strukturen schaffen, das wird nicht von heute auf morgen passieren."
Wie zufrieden sind Sie mit dem ersten Jahr der verkürzten Olympiakampagne?
Dieter Schneider:"Ich bin mit den Leistungen sehr zufrieden. Einige unserer Athlet*innen haben sich in der Weltspitze etabliert, andere besitzen ausreichend Potential, in Kürze zu den besten der Welt aufzuschließen. Man darf nicht vergessen: Die Konkurrenz ist härter denn je. Heute ist es in manchen Disziplinen um vieles schwieriger, eine Medaille zu holen, als noch vor einigen Jahrzehnten. Aber wir können es definitiv schaffen, die Voraussetzungen sind sehr gut."
Welchen Wunsch hat der Präsident für das vorolympische Jahr?
Dieter Schneider: "In erster Linie wünsche ich allen Athlet*innen, dass sie bei der Weltmeisterschaft in Den Haag die bestmöglichen Rahmenbedingungen vorfinden, um ihre beste Leistung abzurufen. Wenn ihnen das gelingt, dann darf man darauf stolz sein – und vielleicht klappt es dann auch schon mit einem Nationenticket. Ziel, aber nicht primär für diese Saison, ist es, eine Klasse mehr zu qualifizieren als für Tokio."